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© Stefanie Kong

Ich wurde 1937 geboren, ging unwillig zur Schule, wurde Maschinenschlosser, Seemann, kaufmännischer Angestellter und einige Jahre später „selfmademan“. Aus Überzeugung verkaufte ich 1980 mein 1965 gegründetes mittelständiges Unternehmen und zog in eine WG. Kurz darauf machte es „Puff“ und ich stand auf der Bühne – sang „dunkle Wolke der Angst“, „Aquarium, Aquarium, was weiß denn der Fisch“ oder „Rausländer rein, Rheinländer raus“. Mein Publikum waren jodelnde Punks und verstörte Intellektuelle. Berliner, Züricher, Mainzer usw. Nach knapp zwei Jahren „Tingeltangel“ fühlte ich mich wie der Herrgott persönlich. Dann hatte ich einen grandiosen Auftritt im Rahmenprogramm der Documenta '82. Meine „one man show“ hieß „das knallt demnächst“ und die dazugehörige Schallplatte nannte sich „Jupheidi im Morgengrauen“. Das Documentapublikum lag mir zu Füßen. Mein Tonmeister gab nach der Vorstellung seinen Kommentar: „Das war überhaupt nichts“, sagte er. „Falsches Publikum“, verteidigte ich mich, aber er hatte recht. Ich hatte sie nämlich geschont und ihnen gefallen wollen, der Narzissmus tropfte mir schon aus den Ohren. Ich war es nun satt, das mit der Bühne war gegessen, „Adieu, ihr schönen Frauen!“

Während dieser beiden Jahre hatte ich nach Lust und Laune einen Stapel Zeichnungen und Bilder fabriziert und mit reichlich Goldfarbe und Zahnpastaweiß bedeckt. Aus Resten schweißte, zimmerte und schraubte ich allerlei Figuren zusammen. Mein kleines, aus meinem persönlichen Umfeld stammendes Publikum reagierte freudig erregt. Dagegen war nichts einzuwenden und so konnte mich jetzt nichts mehr aufhalten. Begeistert stürzte ich mich in die Welt der Künste – Texte, Geschichten, darunter eine komplett vertonte Operette namens „ANITA“.

Erstellung und Herausgabe der revolutionären Wochenzeitschrift „Geil & Fröhlich“, Animation, Design, Architektur, Kunst am Bau, Malerei, die Gründung der Künstlergruppe „Klack Klack“ – außerdem faszinierte mich das neue Zauber-Werkzeug, der Computer. Ich war rundum beschäftigt und sprang von hier nach da. Aber jugendlicher Charme und Anfangsschwung, die Dada-Lust, das Collagieren, der stilisierte Untergang, gingen ersatzlos dahin, irgendwann war der Eimer leer, der Punk zu Ende, es folgte das Lernprogramm und die Routine.

Bei diesem rastlosen Hin und Her war mir jedoch aufgefallen, dass mich ein Fortschritt beim Malen auch in den anderen Künsten weitergebracht hatte, außerdem war ich als Koch begehrter denn je geworden.

1996 zog ich auf eine Insel nach Spanien, ins Licht, in die leuchtenden Farben.

– Der Pinsel, die Farben, der Untergrund und ich! – Eigenen Stil entwickeln, Methode finden, Mittel vergröbern, Gegenstand vereinfachen, wenn nicht gar vergessen und das Erzählerische eliminieren. Genug Stoff für ein ganzes Leben!

Inzwischen sind mehr als 25 Jahre vergangen. Ich kann nicht sagen, dass ich künstlerisch etwas hinzugelernt hätte, glaube auch nicht, dass so etwas möglich ist. Vielleicht kann ich besser unterscheiden, was auf meinem Mist gewachsen ist und wann ich dagegen konventionell agiere. Vielleicht kann ich besser vorausschmecken, ob dieser Ton zu jenem passt und ob eine Linie sein muss oder nicht. Eins ist sicher: mit meinen Fehlern bin ich identisch, darauf lässt sich gut aufbauen!

 

Ich lebe seit Anfang 2004 in Berlin.

 

• 1937 geboren

• 1965 - 1980 mittelständischer Unternehmer

• 1980 freischaffender Künstler

• 1996 Atelier in Spanien

• 2004 LUTHE STUDIO BERLIN

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